Wenn der Wald aus dem Winterschlaf erwacht

Bald sind Sommerferien, sagte neulich jemand auf der Arbeit. Dabei ist der Winter gerade erst vorbei und es soll diese Woche vielleicht wieder schneien. Aber nach monatelangem Ausharren in Kälte und Schnee freuen sich die Schweden auf helle Sommernächte und laue Abende am See. Geht mir ja auch so. Aber eines nach dem anderen. Denn jetzt ist erstmal Frühling und der Wald wacht gerade aus seinem Winterschlaf auf. Und nicht nur der…

Vor gar nicht langer Zeit sah der Wald noch so aus. Ich habe dieses Winter viele Schneeschuhtouren unternommen und das Schneeschuhwandern zu meiner neuen Winterlieblingsaktivität erkoren. So ein schönes Gefühl, auch im Winter überall hin zu kommen!

Viele meiner Schneeschuhwanderungen haben es nicht auf den Blog geschafft – leider. So viele schöne Erlebnisse, die ich eigentlich hier noch schildern wollte. Die Wanderung auf dem Maritstigen, auf der wir extrem viele Hasenspuren gesehen haben zum Beispiel. Oder den Aufstieg zum Feuerwachturm von Norra Garberg an einem sonnigen Wintertag – wir haben sogar kurzzeitig die Jacken ausgezogen und sind im Fleece weiter gewandert.

Die technisch anspruchsvolle Wanderung durch Tiefschnee entlang der Steinbrüche von Blyberg, als wir dachten, das wäre die letzte Wanderung des Winters. Die wirklich allerletzte Wanderung, die uns auf den Berg Storsnäll geführt hat, zu einer atemberaubenden Aussicht und frischen Vielfraßspuren.

Aussicht vom Berg Storsnäll

Die Stimmung in der Natur ging von einer magischen Winterlandschaft mit schneebedeckten Bäumen in die grün-weiße Landschaft des Spätwinters über. Im Wald war ein stetiges Tropfen zu hören, der Schnee wurde nasser und schwerer und es waren immer mehr Vögel zu hören. Jetzt geht es schnell, dachte ich wie jedes Jahr! Bald ist der Frühling da! Aber so schnell ging es dann doch nicht…

Am Ende des kalten Winters beschlossen wir, die Grillsaison zu eröffnen. Nicht die im heimischen Garten, sondern die im Wald. Hier gibt es viele Grillstellen, an denen man mit schöner Aussicht und in schöner Umgebung die Ruhe und leckeres Essen genießen kann. Ein Luxus!

Wir grillten an einem idyllischen Waldsee, noch tief versteckt unter Schnee und Eis. Wir grillten an einem Fluß, der noch halb mit Eis bedeckt war. Wir grillten am Siljansee. Der Schnee taute weg. Es schneite erneut. Der Schnee taute wieder weg. Es blies ein kalter Nordwind, tagelang. Und der Frühling wartete auf seine Chance.

Und dann war er endlich da! Die Abende wurden länger und im Wald war Vögelgezwitscher zu hören. Überall hörte man Wasserplätschern und Abends schallten die Rufe der Schwäne und Gänse vom See zu uns herüber.

Und in mir stieg die Sehnsucht nach dem Wald hoch. Nach dem Geruch von Kiefernnadeln und warmem Sand, vom dem Gefühl, auf weichen, trockenen Pfaden zu wandern, bei einer Rast das Gesicht in die Sonne zu strecken und die Ärmel hoch zu krempeln. Gesagt getan! Zum Glück habe ich Freunde, die immer zu einer Wanderung bereit sind.

Da ich bei einem spontanen Ausflug an den Jugan mit Mattis unerwarteter Weise fast mit dem Auto im Schnee stecken geblieben wäre, gingen Malin und ich bei unserer ersten Frühlingswanderung auf Nummer Sicher. Wir hielten uns von den Bergen fern und wählten einen Wanderweg, der einfach erreichbar war – die Wanderung um den Fluss Enån in Rättvik.

Die Leberblümchen blühten und der kleine Fluß rauschte und plätscherte neben uns. Immer wieder überquerten wir ihn auf einer hölzernen Brücke, blieben stehen und schauten ins Wasser. Nach monatelangem Eis ist fließendes Wasser einfach nur wunderschön anzuschauen. Der Wald war voller Leben, viele verschiedene Vögel zwitscherten, die Bäume finden an zu knospen und immer wieder überholte uns ein Jogger oder Wanderer.

Dann wurde es ruhiger im Wald. Wir entfernten uns vom Fluss und landeten in einem wunderschönen Kiefernwald. Weit und breit waren keine Jogger mehr zu sehen. Alleine waren wir aber nicht, wie wir bald feststellen durften. Tiefe Abdrücke im Moos und ein attackierter Ameisenhaufen waren die ersten Anzeichen. Ein Krachen im Gebüsch das zweite. Auch die Bären waren jetzt wach. Laut redend gingen wir weiter und schauen uns immer wieder um. Doch nach dem ersten Krachen war es still. Wer hatte mehr Angst vor dem anderen, der Bär oder wir? So oder so nahmen wir die Abkürzung zur ersten Brücke, die uns wieder auf die zivilisierte Seite des Flusses führte. Sollte der Bär sich nach dem langen Winterschlaf ruhig erstmal satt essen, ohne sich von uns gestört zu fühlen. Der Rest der Wanderung war dann angenehm ereignislos.

Jetzt geht es also los. Der Wald ist aus dem Winterschlaf erwacht, die Seen sind aufgetaut und die Wasserfälle rauschen lauter als sonst. Die Sonne geht jeden Abend etwas später unter und jeden Morgen etwas früher auf. Und wir sitzen daheim an die Hauswand gelehnt, strecken die Nase in die Sonne und saugen die Wärme in uns auf. Bald sprießen die Blumen mit den Sommersprossen um die Wette und bald dürfen sich die Füße wieder auf das Gefühl von warmem Sand und kühlem Wasser freuen. Ich versuche, jede Woche mindestens einmal mein Mittagessen in der Natur zu verspeisen.

Da es immer noch unklar ist, wann wir mal wieder verreisen dürfen – und als Reiseziel steht natürlich Deutschland ganz weit oben auf der Liste – verbringen wir auch diesen Frühling und Sommer erstmal in unserer schönen Nahumgebung. Wieder so ein Moment, in dem ich dankbar bin, dass es mich in eine so naturschöne Gegend verschlagen hat, in der es auch nach zehn Jahren noch viel Neues zu entdecken gibt. Ich hoffe, ihr könnt auch die Gelegenheit nutzen, eure Heimat neu zu entdecken. Oft braucht es ja gar nicht viel – schönes Wetter, gute Gesellschaft und eine leckere schwedische Fika!

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